Vertical Farming – Pflanzenfabriken der Zukunft

Inhaltsverzeichnis

Was ist Vertical Farming

Vertical Farming oder vertikaler Pflanzenbau ist definiert als das Kultivieren von Pflanzen in mehrstöckigen Systemen. In der Regel sind diese Systeme hochtechnisiert. Statt Erde werden sogenannte erdelose Kultursysteme genutzt und die Umweltfaktoren wie Licht und Temperatur genau gesteuert, um den Pflanzen ideale Wachstumsbedingungen zu liefern.

Wie funktioniert Vertical Farming?

Vertikale Anbausysteme müssen vor allem eins sein: leicht und platzsparend. Aus diesem Grund verzichtet man komplett auf Erde. Stattdessen nutzt man die Verfahren der Aeroponik oder Hydroponik.

Aeroponik

Bei der Aeroponik werden die Pflanzenwurzeln mit einem feinem Sprühnebel aus Wasser und gelösten Nährstoffen umgeben. Die Pflanzenwurzeln nehmen Wasser und Nährstoffe über die feinen „Nebeltröpfchen“ auf und sind bestens versorgt. Besonders interessant: das System funktioniert auch ohne Schwerkraft und bietet eine Möglichkeit im Weltall frischen Salat anzubauen.

Hydroponik

Bei der Hydroponik wurzeln die Pflanzen statt in Erde in einem Ersatzsubstrat wie zum Beispiel Steinwolle oder Kokos. Das Substrat dient lediglich dazu den Pflanzenwurzeln Halt zu geben und die Pflanze mit Nährlösung zu versorgen. Über einen Kreislauf erhält die Pflanze stets frisches Wasser und Nährstoffe. 

Beide Systeme sind sehr intensiv. Durch die nahezu idealen Wachstumsbedingungen und kontrollierten Bedingungen wachsen die Pflanzen gesund und kräftig. Insgesamt liefern diese Systeme höhere Erträge als der Anbau auf dem Feld.

Künstliche Beleuchtung

Pflanzen brauchen Licht um zu gedeihen. Will man Pflanzen in mehreren Etagen übereinander anbauen, ist künstliches Licht absolut notwendig. Die Entwicklung von energiesparenden LEDs war eine der Voraussetzungen damit vertikale Farmen entstehen konnten. Vor der Erfindung der LEDs beleuchtete man Pflanzen hauptsächlich mit Natrium Dampflampen, die nicht nur Licht, sondern auch viel Abwärme geben. Diese Lampen mussten mit einigem Abstand über den Pflanzen angebracht werden, damit diese nicht verbrannten. 

Ein weiterer Vorteil von LEDs ist, dass sie ein spezifisches Lichtspektrum abgeben können. Licht besteht aus verschiedenen Wellenlängen die für Pflanzen von unterschiedlicher Qualität sind. Rotes und blaues Licht sind vor allem Treiber der Photosynthese und sorgen für den Aufbau der Biomasse. Das heißt allerdings nicht, dass die anderen Lichtspektren zu vernachlässigen sind. Grünes, gelbes, ultraviolettes und Infrarotlicht sind essentiell für gesundes Pflanzenwachstum.  Diese Lichtspektren bestimmen maßgeblich die Pflanzenentwicklung und steuern den Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen wie Anthocyanen, Vitaminen und weiteren.

Vor- und Nachteile von Vertical Farming

Die Vor-und Nachteile von Vertical Farming hängen auch mit den Vorteilen der Hydroponik zusammen.

Ökonomisch

Vorteile

Das Ernteprodukt ist von hoher und gleichbleibender Qualität. Bei gutem Management geht die Wahrscheinlichkeit von Ernteausfällen gegen Null. Die Bedingungen sind perfekt auf die Bedürfnisse der Pflanzen abgestimmt, dadurch sind die Erntetermine kalkulier-und planbar. Das führt zu besseren Absatzchancen auf dem Markt. Der vertikale Anbau verbraucht deutlich weniger Fläche als der ebenerdige Anbau und kann daher auch in Ballungsgebieten ökonomisch sinnvoll sein, da Transportwege minimiert werden.

Nachteile

Die Investitionen in eine vertikale Farm sind immens. Neben einer isolierten Halle müssen Aufwendungen für Technik, Regale, Pumpen, Steuerung, Substrat, Belichtung, Nährstoffe und weiteres erbracht werden. Zudem sind Fachkräfte vonnöten, die die notwendige Expertise mitbringen, um eine vertikale Farm zu führen. Es müssen hohe Anforderungen an Hygiene gestellt werden, da das Einschleppen von Schädlingen und Krankheiten in einem geschlossenen System fatal wären. Zudem benötigt das System rund um die Uhr Strom für Hydroponik und Belichtung. Alles in allem aufwendig und kostspielig.

Ökologisch

Vorteile

Verbaute Flächen können in eine vertikale Farm umgebaut werden und damit Flächendruck von den verbliebenen Agrarflächen nehmen. Der Anbau in geschlossenen hydroponischen Systemen verbraucht deutlich weniger Wasser als auf dem Feld und Nährstoffe können nicht ausgewaschen werden, sondern werden im System recycled und wiederaufbereitet. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist in einer kontrollierten Umgebung nicht nötig.

Nachteile

Der Anbau in vertikalen Farmen ist sehr energieaufwendig. Während Pflanzen auf dem Feld von Sonnenlicht profitieren, muss die Lichtenergie in einem vertikalen System erst aufwendig eingefangen und über LED Leuchten abgegeben werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Wasser. Während Pflanzen auf dem Feld vom Regen profitieren, wird für hydroponische Systeme Trinkwasser genutzt, welches vorher gereinigt und zum Ort seiner Bestimmung gepumpt werden muss. Pflanzenschutz ist in diesen Systemen zwar nicht vonnöten, allerdings können dort auch keine Nützlinge überleben. Eine vertikale Farm ist ein sehr steriler Ort, der nur Platz für die gewünschten Pflanzen hat.

Beispiele für vertikaler Anbau

Von riesigen Untergrund-Farmen bis hin zur In-Store-Farm. Vertical Farming eröffnet viele Möglichkeiten:

Aerofarms; New York

In einer der weltweit größten vertikalen Farmen wird in New York hauptsächlich Salat und Microgreens angebaut. Das Besondere: Es wird mit Aeroponischen System gearbeitet. Nach über 10 Jahren Erfahrung expandiert Aerofarms in weitere Städte und ist der ökonomische Führer in der vertikalen Landwirtschaft. Ein Beispiel, das zeigt: Forschung und Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Erst bei einem hohen Optimierungsgrad sind diese energieintensiven Systeme ökologisch und ökonomisch tragbar.

Infarm; Berlin

Das Start-up aus Berlin bringt die vertikale Farm in den Supermarkt. Die Pflanzen werden direkt vor den Augen der Kunden in einem Schrank aufgezogen und können direkt daraus verkauft werden.

Agricool Containerfarm; Paris

Das Start –up aus Frankreich hat Schiffscontainer in vertikale Farmen umgebaut. Der große Vorteil dieser Systeme: Sie sind mobil und platzsparend. In den Containern werden vollautomatisch Erdbeeren, Salat und Kräuter angebaut.

Sky Greens; Singapur

Sky Greens ist eine vertikale Farm der besonderen Art. Es wird auf künstliche Beleuchtung verzichtet und stattdessen mit rotierenden Systemen, spezieller Pyramiden oder Säulenordnung der Pflanzen gearbeitet. (Sicherlich nur etwas für Länder in denen sonnige Tage keine Mangelware ist)

Future Crops; Niederlande

In Poeldijk, dem Herzen des niederländischen Gemüsebaus, steht die erste vertikale Farm in Europa. Technisch auf dem höchsten Stand. Hier werden heute schon auf knapp einem Hektar verschiedene Salate und Kräuter angezogen. Future Crops ist als ein wegweisender Betrieb zu sehen und setzt höchste Standards an die Produktqualität.

Growing Underground; London

In stillgelegten U-Bahn Schächten werden Microgreens angebaut und in London verkauft. Ein Beispiel wie man mit vertikalem Farming bestehende Gebäude sinnvoll nutzen kann, die sonst keinerlei andere Verwendung finden konnten.

Fazit

Vertical Farming steckt noch in den Kinderschuhen. Der Gedanke wetterunabhängig und nachhaltig Gemüse in lokaler Nähe zu produzieren klingt verlockend. Allerdings sind die allermeisten vertikalen Pflanzenfabriken noch nicht rentabel, da einfach zu hohe laufende Energiekosten und Anfangsinvestitionen bestehen. Tatsache ist, dass die viel diskutierten Transportkosten in der Regel nur einen Bruchteil der Gesamtkosten (in Euro und Co2) des Endproduktes ausmachen. Bevor der Salat aus der stillgelegten Tiefgarage zur Normalität wird, wird wohl noch Zeit vergehen. Heute sind Produkte aus der vertikalen Landwirtschaft oft sehr teuer und leisten noch keinen nennenswerten Beitrag zur Ernährungssicherung. Trotzdem liegt im Vertical Farming ein riesiges Potenzial, welches ausgeschöpft werden will.